Privas, Richtung Westen. Von Privas aus wollte ich nach Aubenas fahren. Auf meiner Karte
sah die Entfernung nicht so gewaltig aus, was ich nicht sah, waren die Höhenmeter. In Privas selbst
ging es schon gut bergan, und danach nur noch. Meine Hoffnung, die Strasse würde im Tal verlaufen,
erfüllte sich nicht. Es ging über einen Bergpass nach Aubenas. Zwei Stunden nur bergan, im kleinen
Gang oder mit geschobenem Rad bis auf 787 Meter Passhöhe. Da ich morgens direkt an der Rhone
startete, und diese sicher nicht mehr als 87 Meter Gefälle bis zum Mittelmeer hat, habe ich an diesem
Tag über 700 Höhenmeter mit meinem schweren Fahrrad bewältigt. Hechelnd und schweissnass
erreichte ich irgendwann den Pass. Eine unglaubliche Anstrengung, die ich wohl nur mit halbausgeschaltetem Verstand ertragen konnte. Nachts im Hotel in Uzer konnte ich lange nicht einschlafen, mein Körper
konnte sich nach dieser Tortur nur langsam beruhigen.
Die Abfahrt vom Pass nach Aubenas war da schon anders, kilometerweit ohne in die Pedale zu treten.
Von Aubenas aus gings südwestlich Richtung Largantiere, bis zum kleinen Ort Uzer. Hier hatte ich mir
am Abend zuvor über booking.com ein Hotelzimmer reserviert, um endlich einmal ein sicheres Quartier
ohne nachmittägliche Suche zu haben.
Über die Stadt Ales und Ledignan gings am Donnerstag, den 8.5., weiter gen Süden, gen Mittelmeer.
Dieser Tag ist in Frankreich ein Feiertag, der Tag des Sieges, Victoire 1945. Supermärkte hatten
geschlossen, in Ales gönnte ich mir in einem Imbiss ein Panini mit tres fromages.
Die Erinnerungskultur, die Beziehung zu den Weltkriegen, ist in Frankreich etwas völlig anderes als in
Deutschland. Das direkt in den französischen Orten zu sehen ist sehr interessant. Da sieht man ein
gepflegtes mit Fahnen geschmücktes Denkmal für ermordete Widerstandskämpfer oder für die
Soldaten des 1. Weltkrieges, La Grande Guerre. Für die Franzosen ist alles viel unkomplizierter,
das sie auf der richtigen Seite standen. Da wird einem der Wahnsinn des Nationalsozialismus wieder bewusst.
Die Suche nach einem Quartier an der Landstrasse nach Montpellier gestaltete sich mal wieder
schwierig. Kein Zeltplatz in Sicht, in Chambres d' Hotes in den kleinen Orten an der Strasse alles
"complet". In einem kleinen Dorf fragte ich den Wirt, der gleichzeitig Bauer war, ob er nicht ein
"Emergency Quarter" für mich hätte. Er sah mein Gepäck, fragte mich "Do you have a tent?" und
erlaubte mir dann, auf seinem Grundstück, ca. 100m von seinem Haus entfernt, zu zelten.
Das war super. Damit hatte ich ein schönes Quartier im Grünen, Wasser bekam ich auch noch
von der Familie.
Das jahrhundertealte Bauerhaus war toprenoviert, innen sehr modern eingerichtet, wie ich am
nächsten Morgen sah. Sie bauen Wein und Getreide an und betreiben das Bed&Breakfast.
Alles sehr idyllisch, fast paradiesisch. Am nächsten Morgen bekam ich noch einen Kaffee und
ein Croissant spendiert.
Ja, sehr nette, freundliche Menschen.
Am 9.5. gings nach Montpellier, im Zentrum steuerte ich die Tourismus-Zentrale an und liess mir ein
günstiges Hotelzimmer etwas ausserhalb vermitteln. Es war sehr heiss, ich hatte schon einen leichten
Sonnenbrand, mein Lippen-Herpes meldete sich dank heisser Sonne und Stress wieder, und meine
Moral war auf dem absoluten Tiefpunkt. Am schlimmsten war das Heimweh, die Sehnsucht nach
Zuhaus. Bei dieser Hitze die notwendigen täglichen Kilometer abzureißen, konnte ich mir nicht vorstellen.
Und jeden Tag die Sorge um eine Unterkunft oder einen Zeltplatz....Und es gab ja keine separaten Fahrradwege, ich musste ständig auf Strassen fahren, auf denen mich ständig Autos überholten...und den ganzen Tag allein...mit niemanden kann man richtig reden...
Nachts im Hotel konnte ich vor lauter Unruhe nicht einschlafen. Ich entschied mich, aufzugeben.
Am nächsten Morgen wollte ich zum Bahnhof, zum Gare, fahren, und mir eine Fahrkarte nach
Deutschland kaufen. Und nach dieser Entscheidung konnte ich mich endlich entspannen und einschlafen.
Es ist hart, allein mit dem Fahrrad durch ein fremdes Land zu reisen. Vielleicht fehlte mir auch noch Erfahrung. Aber die habe ich ja jetzt. Immerhin habe ich in Deutschland von Nord nach Süd gut
1000 Km abgeradelt, und in Frankreich von Breisach nach Montpellier gut 900 Km. Das reicht!
Erst einmal.
Das war meine Reise von Hamburg nach Portugal, die bis Montpellier ging. Ich habe viel gesehen.
Viele Dörfer, viele Boulangeries, viele schöne Landschaften, bin in großen Städten wie Lyon, Dijon,
Avignon und Montpellier mit dem Fahrrad herumgefahren. Eine tolle, schöne Erfahrung. Die mir bei
meiner nächsten Reise sicher nützen wird.
Von La Voulte sur Rhone nach Montpellier |
Schöne Ardeche |
Blick auf Privas |
Pause in Privas |
Denkmal für ermordete Resistance-Kämpfer in Privas |
Blick vom Pass auf die Ausläufer der Alpen |
Von der Rhone bis 787 Meter - mit dem Fahrrad! |
Idyllische Ardeche |
Das Languedoc ist bekannt für guten Wein |
Nicht so ganz idyllische Ansicht in Ales |
Oft sehr klares Wasser in den Flüssen |
Weinfelder über Weinfelder |
Zelten beim Bauern |
Hier lässt es sich leben |
In Montpellier auf dem zentralem Platz |
Montpellier, zentraler Platz |
Strasse in Montpellier |
Gefräßige Monster im Gare von Montpellier |
Back home |
Alte Cafe-Tradition in Montpellier |
Dijon - leider nicht meine Unterkunft |
Fussgängerzone in Dijon |